Über die Jahre hat Falkner bereits vieles ausprobiert: Andere Bildträger (u. a.
Schwämme und Schubladen); die graduelle Umwandlung von erkennbaren
Buchstaben in malerische Gesten; das Abbilden des urbanen Kontextes, in dem
Graffiti sein könnte.
Nun hat er – zumindest partiell – zu den Buchstaben zurückgefunden. Doch durch
das Zerschneiden der besprayten Leinwände löst sich Falkner davon, seinen Style
auszustellen. Graffiti-Fragmente werden zum Material, das er neu arrangieren kann.
Falkners Vorliebe, Formen fortzusetzen oder aufzubrechen, sie gegeneinander
auszubalancieren, bekommt ein neues Spielfeld. Dabei kontrastieren gerade
Nahtlinien die geschwungenen Formen der Malerei.
Möglich gemacht hat dies ein neues Werkzeug: die Nähmaschine. Zugleich bildet sie
einen Kontrapunkt zur Graffiti-Welt, die für mich immer auch mit Aggression und
Zerstörung assoziiert ist. Das Nähen dagegen ist ein Symbol des Häuslichen, des
Sorge-Tragens par excellence. Die Nähmaschine wird aber auch zum Katalysator für
den Rückgriff auf ein klassisches Hip-Hop-Element: den Remix. Falkner cuttet seine
eigenen pieces und setzt sie zu einem «Brocken» zusammen. Mit Linien, die mal
zusammenfinden, mal abbrechen, kreiert er einen neuen Rhythmus.
In der Ausstellung sind Falkners Bilder ins Zentrum gesetzt und bestimmen den
Raum. Ich sehe zunächst eine Reihe schwebender Objekte, die nach hinten immer
grösser werden. Unregelmässige Vielecke schweben in der Leere, doch sie wenden
mir den Rücken zu. Die Kanthölzer, auf die die Leinwände gespannt sind, wirken
noch neu und stehen damit in deutlichem Kontrast zur schmutzigen Patina des Stoffs
auf der Vorderseite. Die Folge eines Reifungsprozesses, der darin besteht, sie
achtlos in die Ecke zu werfen?
Der Malgrund hat sich nicht nur von der Wand gelöst, er präsentiert auch seine
Gemachtheit und will umschritten werden. Ich bewege mich nicht den Bildern
entlang, sondern zwischen ihnen. So wird mein Blick immer wieder auf die
abgelebten Leinwände gelenkt, durch deren winzigen Löcher Licht dringt. Auf der
Vorderseite kreiert der Effekt ein subtiles Glitzern. Es ist nicht das einzige Element,
das mich an eine Himmelskonstellation denken lässt.
Schliesslich bezeichnet der Titel «Cazimi» eine astrologische Stellung, bei der die
Sonne einen Planeten mit ihrer Energie durchtränkt. Dabei verschwindet der Planet
zwar kurzzeitig, kommt aber gestärkt wieder hervor. Graffiti Painter passt besser
denn je, denke ich – aus den Schnittstellen sind Nähte geworden.
Rémi Jaccard, Mai 2024
Dank: Grégoire Vuilleumier.